Welche Wasserschildkröte habe ich überhaupt?
Oftmals wissen Leute die ihre Schildkröte schon jahrelang pflegen gar nicht welche Art sie dort überhaupt im Becken schwimmen haben, vielen reicht es, dass es halt eine Wasserschildkröte ist. Zur artgerechten Pflege ist aber eines ganz wichtig: Man muss wissen welche Art man hat. Leider sind die Angaben die man vom Zoohändler bekommt oft falsch oder unzureichend. So werden beispielsweise ungefähr 15 verschiedene Arten als „Gelbwange“ verkauft. Die Artbestimmung von Wasserschildkröten ist auch nicht ganz einfach. Daher gibt es extra die Seite Artbestimmung. Wenn ihr dabei Probleme hat könnt ihr mir gerne scharfe Fotos vom Bauch- und Rückenpanzer sowie vom Kopf des Tieres zuschicken, Kontakt.
Fertigfutter oder doch naturnahe Futtermittel?
Etwas das man täglich aufs neue falsch machen kann ist die Fütterung seiner Schildkröte. Allzu oft wird nur einseitig Fertigfutter aus der Zoohandlung gefüttert. Doch es gibt eine ganze Reihe weiterer geeigneter Futtermittel. Im Kapitel Ernährung findet ihr eine breite Auswahl verschiedenster Futtermittel.
Ein klassischer Fehler ist es, dass keine Pflanzen gefüttert werden. Aber viele Wasserschildkröten sind keine reinen Fleischfresser, sondern Gemischtköstler. Sie ernähren sich in der Natur also auch von Pflanzen! Wie hoch der Anteil pflanzlicher Nahrung sein sollte findet ihr im Ernährungs-Kapitel unter Anteil pflanzlicher Nahrung. Ein typisches Problem von Wasserschildkröten ist Vitamin A-Mangel, aufgrund zu wenig Pflanzen in der Ration. Eine gute Quelle dafür sind Möhren.
Noch etwas zur Futtermenge: Pflanzliches Futter sollte ständig zur Verfügung stehen, davon können die Tiere so viel fressen wie sie wollen. Tierische Futtermittel muss man rationieren, die Menge sollte etwa der Größe des Kopfes entsprechen, tierisches Futter sollte nicht täglich angeboten werden, je nach Art und Größe der Schildkröte bekommen sie bei mir viermal die Woche bis einmal im Monat tierische Futtermittel.
Wenn eine Schildkröte mit 30 Jahren stirb ist dies übrigens auch noch früh, denn sie kann bei guter Haltung locker doppelt bis dreimal so alt werden.
Der Sonnenplatz
Oft werden mit den Aquarien im Zoohandel die üblichen Abdeckhauben gleich mitverkauft, diese sind mit ein/zwei Leuchtstoffröhren oder LEDs bestückt. Für die Fischhaltung sind diese auch gut geeignet, für Schildkröten leider keineswegs! Unter dieser Abdeckung staut sich die Luft, es ensteht ein feucht-schwüles Klima welches die Lungen der Wasserschildkröten belastet, zudem kann der Panzer nicht richtig abtrocknen und ist dann oft mit Algen bewachsen. Auch nachts sind meine Aquarien für Wasserschildkröten nicht abgedeckt. Als Schutz vor der heimische Katze sind Gitter wesentlich geeigneter als Abdeckungen.
Die Lufttemperatur für meine Wasserschildkröten entspricht bei mir immer der Temperatur im Zimmer, weil meine Aquarien oben offen sind. Der Temperaturunterschied ist für eine gesunde Schildkröte kein Problem. Wenn sie sich sonnt, heizt sie sich viel stärker auf und atmet dann relativ zur Körpertemperatur gesehen kalte Luft ein. Viel wahrscheinlicher kommt es übrigens zu einer Lungenentzündung aufgrund einer handelsüblichen Aquarienabdeckung.
Der Sonnenplatz muss so beschaffen sein dass die Schildkröte dort komplett abtrocknen kann, ein einfaches Stück Kork das im Wasser treibt reicht daher nicht. Auf dem Sonnenplatz müssen Temperaturen von mindestens 40 °C erreicht werden, dies ist mit Röhren unmöglich, daher muss man einen Spotstrahler oder besser eine Halogenmetalldampflampe mit UV-Anteil installieren. Diese hohen Temperaturen sind nötig damit die Wasserschildkröten ihre Körpertemperatur erhöhen können. Reptilien sind wechselwarme Tiere, sie können ihre Körpertemperatur nicht von alle erhöhen sondern sind auf Wärmezufuhr von außen angewiesen.
Welche Lampe soll ich nun nehmen?
Im Zweifel empfehle ich für alle Wasserschildkröten von Lucky Reptil das Bright Sun UV Turtle Set*, mit diesem Set hat man ein gutes Leuchtmittel das Wärme, UV und sichtbares Licht liefert. Außerdem ist eine Hängeleuchte zur einfachen Installation dabei.
Für die kleineren Klapp- und Moschusschildkröten genügt auch eine Lampe mit nur 35 Watt, zum Beispiel das Exo Terra Sun Ray Beleuchtungskomplettset*.
Alternativ dazu kannst du dieses Komplett-Set mit 35, 50 oder 70 Watt* nehmen und es gegebenenfalls mit dieser Hängefassung* noch optimieren.
Ein Eiablageplatz für Weibchen
Weibliche Schildkröten können auch Eier legen wenn sie nie Kontakt mit einem Männchen hatten, diese Eier sind dann unbefruchtet. Daher muss einer weiblichen Wasserschildkröte immer ein Eiablageplatz zur Verfügung gestellt werden. Dieser kann beispielsweise aus einer großen Plastikbox bestehen. Gefüllt mindestens so hoch mit leicht feuchtem Sand wie die Schildkröte lang ist. Wenn Weibchen nicht die Möglichkeit haben ihre Eier zu verbuddeln legen sie die Eier mit etwas Glück ins Wasser ab, wenn man Pech hat legen sie die Eier jedoch gar nicht ab und können an einer Legenot sterben. Viele Möglichkeiten zur Gestaltung des Eiablageplatzes gibt es in der Landteil-Rubrik.
ab in die Sauna…
Es gibt eine Wasserschildkröten-Homepage auf der werden Temperaturen von über 30 °C für den Sommer und 28 °C im Winter empfohlen, leider halten sich auch viele daran. Dabei entbehren diese Temperaturen jeglicher Grundlage, welche Temperaturen in der Heimat der Schildkröten herrschen kann man in Klimadiagrammen nachschauen oder hier nach Arten sortiert. Werden Schildkröten dauerhaft zu warm gehalten führt dies zu zu schnellem Wachstum und damit verbundenen Organ-, Panzer- und Knochenschäden. Ebenso ist es wichtig den Schildkröten welche in der Natur eine Winterstarre halten diese auch in Menschenhand zu gönnen, sie stärkt das Immunsystem. Die Überwinterung führt immer zu vielen Ängsten und Fragen. Daher gibt es eine ausführliche Überwinterungs-Rubrik. Keine Angst, du schaffst das!
Kanada und Australien in 200 Liter
Es ist manchmal schon erstaunlich was die Leute für Schildkröten gemeinsam halten, da wird eine Moschusschildkröte (aus Kanada, hält Winterstarre, braucht viele Klettermöglichkeiten unter Wasser, schwimmt nicht so gerne, Fleischfresser) zusammen mit einer Schlangenhalsschildkröte (aus Australien, keine Winterstarre, braucht viel Schwimmraum, Gemischtköstler) gehalten. Da fragt man sich doch wie man diese völlig unterschiedlichen Ansprüche in einem Aquarium vereinen kann? Es geht schlicht nicht.
Selbst zwei verschiedene Schildkröten von einem Kontinent kann man nicht unbedingt zusammen halten. So sind Höckerschildkröten beispielsweise Flussbewohner die großteils tierische Nahrung zu sich nehmen, die ebenfalls aus Nordamerika stammenden Schmuckschildkröten bewohnen dagegen verkrautete Tümpel mit keiner oder wenig Strömung, sie ernähren sich fast ausschließlich von Pflanzen. Nicht zu letzt unterscheidet sich das Verhalten, so dass es unter den Schildkröten zu Missverständnissen kommt welche in Stress, Kämpfen oder Tod enden. Beispielsweise wissen andere Arten nicht was Schmuckschildkröten wollen wenn sie mit den Krallen zittern. Selbst bei den beiden Schmuckschildkröten-Gattungen Trachemys und Pseudemys gibt es Unterschiede in diesem Verhalten, so verhindert die Natur dass sich verschiedene Arten miteinander paaren. Daher sollte man keine verschiedenen Arten gemeinsam in einem Becken halten, für jede Art benötigt man ein eigenes Becken.
Sicherlich gibt es die Möglichkeit verschiedene Wasserschildkröten-Arten gemeinsam zu halten, aber dabei muss man einiges beachten. So müssen die Arten von all ihren Ansprüchen (Temperatur, Ernährung, Schwimmfreudigkeit, Temperament etc.) perfekt zueinander passen. Gut gegeben ist dies beispielsweise bei der Kombination von Rückenstreifen-Zierschildkröten mit einer kleinen Höckerschildkröte der Sawback-Gruppe, wie der Schwarzknopf-Höckerschildkröte.
Im Zweifel lieber die verschiedenen Arten getrennt halten, als es auf Kosten der Wasserschildkröten zu versuchen!
Gruppenhaltung?
Auch eine gemeinsame Haltung von mehreren Wasserschildkröten einer Art ist leider meist nicht ohne weiteres möglich. Das sinnvollste für alle Wasserschildkröten ist Einzelhaltung! Sollte man dennoch mehrere Tiere gemeinsam halten, darf der Größenunterschied zwischen den Wasserschildkröten nicht mehr als ein paar Zentimeter betragen. Außerdem sind folgende Punkte zu beachten:
Männchen und Weibchen: Bei der Haltung von einem Männchen mit einem Weibchen wird das Weibchen durch die ständigen Paarungsversuche des Männchens sehr gestresst. Männchen sind fast durchgehend paarungswillig, Weibchen hingegen nicht. Möchte man unbedingt Männchen und Weibchen gemeinsam halten so sollten auf ein Männchen mindestens vier Weibchen kommen, dann verteilt sich das besser.
Weibchengruppen: Zwei Weibchen sind problematisch, eine wird die Unterlegene sein, daher sind größere Gruppen mit min. 3-4 Tieren besser. Aber auch in größeren Gruppen kann es nötig sein Tiere zu separieren, wenn diese durch Dominanzverhalten der anderen gestresst werden.
Männchengruppen: Bei Männchen empfiehlt sich generell Einzelhaltung, mehrere Männchen stressen sich gegenseitig sehr.
Im Zweifel ist Einzelhaltung für Wasserschildkröten immer besser!
Einige Wasserschildkröten sollten generell nur einzeln gehalten werden. Dies sind meistens besonders stressempfindliche Arten (wie die Tropfenschildkröte) oder besonders aggressive Tiere (wie viele Moschusschildkröten). In den Artporträts wird darauf dann hingewiesen.
Kniehohes Wasser
Es ist traurig zu sehen bei welch niedrigem Wasserstand Wasserschildkröten manchmal leben müssen. Als Grundregel kann man sagen, dass die Wasserhöhe der dreifachen Panzerlänge der größten im Aquarium gepflegten Schildkröte entsprechen sollte.
Es ist aber unbedingt empfehlenswert das Aquarium so weit zu füllen wie es geht. Um ein Entkommen der Wasserschildkröte zu verhindern kann man auf das Aquarium einen Aufsatz bauen, so wie es Birgit und Marco gemacht haben.
Einen wirklich schönen Anblick bieten Zier-, Höcker- und Schmuckschildkröten erst ab einem Wasserstand von 50 cm.
Aber es gibt doch auch schlechte Schwimmer!
Ich unterscheide nicht in gute und schlechte Schwimmer. Treffender finde ich die Aufteilung in schwimmfreudige und kletterfreudige Wasserschildkröten. Bei den sogenannten „schlechten“ Schwimmern, wie beispielsweise Klapp- und Moschusschildkröten, ist ein hoher Wasserstand kein Problem wenn die Tiere schrittweise daran gewöhnt werden und es im Becken Klettermöglichkeiten zum erreichen der Wasseroberfläche gibt. Bei entsprechendem Wasserstand kann man dann sehen dass auch diese Arten durchaus gut schwimmen können.
„Freilauf“ auf dem Fußboden
Man kann ein zu kleines Aquarium nicht durch „Freilauf“ in der Wohnung kompensieren. Wenn Wasserschildkröten „Auslauf“ brauchen, dann brauchen sie ein großes Aquarium. Laufen auf dem Fußboden bedeutet nur Stress für die Schildkröte, zudem kann sie sich dort durch Staub und Zugluft Krankheiten holen. Schon das herausnehmen aus dem Aquarium bedeutet Stress, denn in der Natur werden Schildkröten nur „hochgehoben“ wenn sie von einem Greifvogel oder anderen Räuber geschnappt wurden.